Sonntag, 21. November 2010

Menschenrecht Wasser – Wasser als Menschenrecht? Wasser als Konfliktstoff in einer globalisierten Welt

Wir befinden uns in der Halbzeit: Die Jahre 2005-2015 sind von den Vereinten Nationen zum internationalen Jahrzehnt des Handelns für “Wasser zum Leben” ausgerufen worden. Vom 8.-10. Juni findet aus diesem Anlass in Dushanbe, Tadschikistan eine internationale Konferenz statt, vom 5.-11. September die „WeltWasserWoche“ in Stockholm, die mal mit einer neuen Bedeutung der drei Buchstaben WWW wirbt – einer mit Sicherheit überlebenswichtigeren als der virtuellen. Thema der Konferenz: Die Wasserqualität als Herausforderung.

Wasser ist Lebenselexier, es ist nicht nur die Grundlage für das Überleben, sondern es ist die biologische Voraussetzung für Leben überhaupt. Der Mensch besteht zum größten Teil aus Wasser, wobei der Prozentsatz in einzelnen Körperteilen variiert. Der menschliche Körper kann Wasser nicht speichern, er ist auf regelmäßige Zufuhr angewiesen. Bei Wassermangel leidet als erstes das Gehirn. Es folgen vielfache subjektive Beschwerden wie Schwäche, Angst oder Antriebslosigkeit, nachlassende Konzentrations-, Denk- und Erinnerungsfähigkeit, Kopf-, Bauch- und Gliederschmerzen, Migräne, Schwindelgefühl … - kein Wunder, dass Wasser ein emotionales Thema ist. Wassermangel führt zum Tod. Alleine deshalb leitet sich das Recht auf Wasser durch das Recht auf Leben ab. Wasser, beziehungsweise dessen Mangel, ist sozusagen die Achillesferse des Menschen. Ein ugandisches Sprichwort sagt: Den Nutzen einer Quelle erkennt man erst, wenn sie austrocknet. Denn: Wasser ist für uns selbstverständlich wie die Luft zum Atmen. In unserer hochtechnologisierten Welt kommt es in trinkbarer Qualität zuverlässig aus der Leitung, darüber hinaus es gibt viele Sorten von Wasser aus aller Welt in Flaschen zu kaufen. Das ist nicht überall so.

Historisch betrachtet hat das menschliche Bedürfnis nach Bequemlichkeit bereits vor über 2000 Jahren zum Bau von Wasserleitungen und sanitären Einrichtungen geführt: Die Aquädukte, die römischen Wasserleitungen, zeugen von einem erheblichen technischen Wissen und Fortschritt, indem sie den mühseligen Transport des lebensspendenden und Gesundheit fördernden Gutes Wasser in automatisierte Bahnen lenkten. Aber schon zuvor war die Fähigkeit des Menschen, Gefäße zu fertigen, die unter anderem der Aufbewahrung von Wasser dienten, eine der revolutionären Errungenschaften in der Entwicklung der Menschheitsgeschichte gewesen. In vielen Teilen der Welt sind sie tatsächlich nach wie vor die einzige Möglichkeit, Wasser zu transportieren und aufzubewahren.

Saubere Quellen sind seit jeher Orte, die Zivilisation und Siedlungsgründungen ermöglicht haben, und nicht zuletzt gibt es Quellen, deren Wasser als heilig angesehen wird oder denen sogar eine heilende Wirkung zugesprochen wird. Wasser hat im Christentum folgerichtig eine übergeordnete Rolle angenommen: Weihwasser und Taufe sind Symbol dafür, dass Wasser eine explizit religiöse Bedeutung haben kann. Das zeigt noch einmal deutlich, dass Wasser nicht nur einen hohen Stellenwert für das menschliche Leben hat, sondern auch mit einer emotionalen Bedeutung aufgeladen ist. In gewisser Hinsicht erscheint deshalb die Verbissenheit, mit der die Auseinandersetzung um das Menschenrecht Wasser von vielen Organisationen geführt wird folgerichtig, wenn man der These folgt, dass Menschenrechte Grundlage eines Weltethos, eine „Weltzivilreligion“ sind (siehe etwa Thomas Risse in „Menschenrechte – Globale Dimensionen eines universellen Anspruchs, Nomos 2007).

Der am 16. August 2007 erschienene Jahresbericht der UN befasst sich mit den menschenrechtlichen Verpflichtungen über gleichberechtigten Zugang zu sauberem Trinkwasser und sanitären Einrichtungen im Rahmen der internationalen Menschenrechte. Er beruht auf der Entscheidung 2/104 des Menschenrechtsrates vom 27. November 2006, die ohne Abstimmung angenommen wurde, eine Studie als Ausgangsbasis für eine entsprechende menschenrechtliche Gesetzgebung zu erarbeiten. Dazu wird nicht nur die gegenwärtige Gesetzeslage als Ausgangsbasis ausführlich erörtert, sondern es werden auch eine Reihe von Schlussfolgerungen gezogen und Empfehlungen gegeben, wie das Thema weiter zu verfolgen ist. Unter anderem gehört dazu, ein Bewusstsein für das Problem zu schaffen, das die Bereitstellung von Wasser und sanitären Einrichtungen insbesondere in Ländern, in denen das Wasser knapp ist, darstellt und nationale Strategien zu erarbeiten, um einem Mangel beziehungsweise ungenügendem Zugang zu Wasser und sanitären Einrichtungen entgegen zu wirken; sodann fordert die UN Staaten, internationale Organisationen, nationale Menschenrechtsorganisationen, die Zivilgesellschaft und gewerbliche Unternehmen auf, gute Beispiele zur Gewinnung von sauberem Trinkwasser, für sanitäre Einrichtungen und zur Einhaltung der Menschenrechte vorzuschlagen und dem Büro des Hochkommissariats der Vereinten Nationen zur Verfügung zu stellen.

Soweit zur Theorie eines weltweiten Menschenrechts auf Wasser. Die Praxis zeigt: Normierung, wie sie notwendig wird um Maßstäbe zu setzen oder Vergleiche zu ziehen, hat ihre Tücken. Mehr noch, es wird eine Zeit dauern, bis der technische Fortschritt und die Bequemlichkeit, die wir uns mit unseren modernen Wasserleitungssystemen in Jahrhunderten mühselig erarbeitet haben auch in den Ländern Einzug halten kann, wo nach wie vor Menschen – in der Regel Frauen und Kinder - das Wasser in Gefäßen von der Quelle holen; denn es gibt erhebliche Unterschiede in der Versorgung mit Wasser, die WHO hat dazu entsprechende Statistiken erstellt: Nur 61% der Weltbevölkerung verfügt über ein fortschrittliches System der Wasserver- und -ent-sorgung. 2,6 Milliarden sind ohne „adäquate sanitäre Einrichtungen“, davon leben ca. 1,9 Milliarden (72%) in Asien und über 500 Millionen in Schwarzafrika. Weltweit sind 900 Millionen Menschen nicht ausreichend mit Trinkwasser versorgt, und 4000 Menschen verdursten pro Tag - fehlendes sauberes Trinkwasser fordert alle 20 Sekunden ein Menschenleben – ein ernst zu nehmendes globales Problem.

Nur der sichere Zugang zu Wasser ermöglicht ein Leben in Freiheit und Würde. Der allgemeine Rechtskommentar des UNO-Ausschusses für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte Nr. 15 vom 26.11.2002 hält fest: „Wasser muss als soziales und kulturelles Gut behandelt werden, d.h. als öffentliches Gut und nicht in erster Linie als Wirtschaftsgut. … Der Anspruch jedes Einzelnen auf einen adäquaten Zugang zu Wasser ist nicht nur grundlegend wichtig für die menschliche Würde und das Privatleben, sondern auch eine der wichtigen Voraussetzungen, die Qualität des Trinkwassers und dessen Verfügbarkeit sicherzustellen. Abgeleitet vom Recht auf ein Höchstmaß an Gesundheit und dem Recht auf Wohnung (General Comments Nr. 4/1991 und Nr. 14/2000) haben die Vertragsstaaten die Verpflichtung, sukzessive ein funktionierendes Wasserversorgungssystem bereitzustellen. Dies insbesondere für ländliche Gegenden und Stadtgebiete, die derzeit keinen oder keinen ununterbrochenen Zugang zu Wasser haben, unter besonderer Berücksichtigung der Bedürfnisse der Frauen und Kinder."

Inzwischen haben 60 UN-Mitgliedsstaaten ein auf Initiative Deutschlands und Spaniens am 28. März 2008 bei den Vereinten Nationen eingebrachtes Abkommen unterzeichnet, nach dem das Wasser verfügbar, zugänglich, sauber und bezahlbar sein soll. Wobei der letzte Punkt offensichtlich ein Problem darstellt, denn hier trennen sich die Geister vehement: sauberes Wasser ist angesichts der Anzahl von Menschen, die versorgt werden müssen, heutzutage in überwiegendem Maße ein Produkt der Hochtechnologie. Bezahlbarkeit bedeutet daher, so schwammig dieser Begriff auch sein mag, dass die Produktionskosten nicht gedeckt sein müssen, sondern dass sich tatsächlich die Frage nach der Finanzierbarkeit stellt. Auf der Internetseite der Weltwasserwoche kommen Stimmen zu Wort, die freien Zugang zu Wasser als Ziel ihrer Bestrebungen fordern. Jane Gibbs aus Australien beantwortet die Frage, ob der Menschenrechtsansatz für Wasser und sanitäre Einrichtungen funktionieren kann: “Ja, aber nicht ohne Wandel von der gegenwärtigen Betonung auf finanzielle Interessen und Eigeninteressen. Es ist ein großes Ideal, aber schwer zu erreichen“ und Pierre Guillibert von der GTZ Deutschland beantwortet die Frage nach der Schlüsselbotschaft: „Ein Thema ist die Finanzierung. Es gibt kein Land in dem Wasser und Sanitäranlagen sich komplett selbst tragen. Die Herausforderung ist der Mix der Finanzierungsquellen“. Finanzierungsmix? In den Slums der indischen Großstädte blüht der Schwarzmarkt.

Dazu kommt: Es geht in diesem Abkommen nicht nur um sauberes Wasser, sondern auch um sanitäre Einrichtungen. Brot für die Welt erklärt in einer Pressemitteilung vom 6. April 2010: „Sauberes Wasser ist Menschenrecht“ und fährt fort: „Im Herbst 2000 hatten die Vereinten Nationen vereinbart, weltweit bis zum Jahr 2015 den Anteil der Menschen an der Weltbevölkerung zu halbieren, die keinen Zugang zu einer sauberen Toilette haben. Doch vom Ziel einer sanitären Grundversorgung ist die Menschheit weiter entfernt als von jedem anderen der sogenannten „Millenniumsziele“. Selbst das moderate Ziel einer Halbierung des Anteils der Menschen ohne Zugang zu sanitärer Basisversorgung würde bei dem derzeitigen Tempo der Umsetzung erst im nächsten Jahrhundert erreicht werden.“ Das zeigt: es findet eine emotionale Instrumentalisierung eines impliziten Menschenrechtes statt, das damit eine Dimension erhält, die der Realität nicht standhalten kann, denn: offenbar können die angestrebten Ziele, die ja nicht einmal eine komplette sondern nach wie vor nur eine partielle Lösung des globalen Problems beinhalten, nicht nur in dem sicher anspruchsvoll gesetzten Zeitrahmen nicht gelöst werden; darüber hinaus müssen die Maßnahmen bezahlt werden und bezahlbar bleiben und – ein weiterer Aspekt: es muss den kulturellen Gegebenheiten der derart mit zivilisatorischen Hygienegedanken beglückten Bevölkerung Rechnung getragen werden, wenn wir nicht eine moderne Art der Kolonialisierung und Abhängigkeit schaffen wollen. Porzellantoiletten, die chemische Reinigungsmittel zur Aufrechterhaltung eines minimalen hygienischen Standards erfordern, dürften in vielen Teilen der Welt keine sinnvolle Lösung des Problems darstellen, auch wenn sich zumindest in der virtuellen Welt des Internets schon fast eine Art Manie in dieser Hinsicht feststellen lässt, das als grundsätzliches Frauenthema präsentiert wird. 2001 wurde der 19. November als Welttoilettentag ausgerufen. Auf einer Demonstration anlässlich des Weltwassertages am 22. März 2010 am Brandenburger Tor unter dem Motto „Jeder Po braucht ein Klo“, sagte die unabhängige Expertin des VN-Menschenrechtsrats Catarina de Albuquerque vor laufender Kamera „also hinter dem Baum halt, wenn eine Person das macht geht’s noch, wenn Millionen Leute, oder wenn Milliarden Leute das machen, gibt es Umweltverschmutzung, Wasserverschmutzung, und das wird dann das Wasser sein, das von den Leuten dann getrunken worden äh… getrunken wird. …“

Menschenrecht Wasser? Es gab ein Land, das sich vehement gegen die ursprüngliche Resolution zur Wehr setzte und am Ende erhebliche Modifizierungen durchsetzen konnte: Kanada verweigerte sowohl die Zustimmung dazu, Wasser als explizites Menschenrecht zu deklarieren als auch das Festlegen auf eine normierte Wassermenge – eine Entscheidung, die zwar auch im eigenen Land auf erhebliche Widerstände traf, also unpopulär aber doch wenigstens vernunftgeleitet ist. Denn ein Menschenrecht ist nur so gut, wie es durchsetzbar ist. Und zudem unterscheiden sich die Bedürfnisse der einzelnen Länder und Regionen erheblich und sind in absehbarer Zeit nicht standardisierbar; nicht umsonst hat die oben zitierte UN-Resolution die Verantwortung für die Durchführung der Maßnahmen in die Hände der einzelnen unterzeichnenden nationalen Vertragsstaaten gelegt.

In Berlin etwa gibt es Wasser im Überfluss – sparsamer Gebrauch ist sogar schädlich für das Leitungssystem und den Grundwasserspiegel – das ist in vielen anderen Regionen der Erde nicht der Fall. Und: es gibt durchaus Menschen, die auch ohne sanitäre Einrichtungen, wie sie sich der Mitteleuropäer vorstellt, in Würde und hygienisch einwandfrei leben können. Das weiß jeder, der sich in einem der betroffenen Länder einmal außerhalb der für Touristen geschaffenen Angebote in ländlicher Gegend aufgehalten hat.

Menschenrecht Wasser – was bedeutet das in Deutschland? In ihrer kleinen Anfrage17/966 vom 5.3. 2010 stellte die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen noch einmal die Frage nach der Verankerung des Menschenrechts auf sauberes Trinkwasser und sanitäre Grundversorgung im internationalen Recht. Die Zusammenfassung der Antwort durch das Auswärtige Amt vom 29.3. in „heute im Bundestag“: „Die Bundesregierung geht von der Existenz eines eigenständigen Menschenrechts auf sauberes Trinkwasser (MRWS) aus. Dies geht aus ihrer Antwort (17/1120) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (17/966) hervor. Dabei stütze sie sich in rechtlicher Hinsicht auf Artikel 11 des Sozialpaktes der Vereinten Nationen (UNO). Auch hinsichtlich des Menschenrechts auf sanitäre Grundversorgung, ist die Bundesregierung der Ansicht, dass dies bereits Teil des Sozialpaktes der UNO ist. Auf die Frage, welche zukünftigen Schritte zur weiteren rechtlichen Verankerung des Menschenrechts auf sauberes Trinkwasser geplant seien, teilt die Regierung mit, dass sie sich dafür einsetze, das MRWS auch im EU-Rahmen zu diskutieren. Dazu habe Spanien das MRWS als ein „menschenrechtliches Schwerpunktthema der EU-Ratspräsidentschaft im 1.Halbjahr 2010 benannt“, betont die Regierung in ihrer Antwort. Zudem stehe sie einer internationalen Fachkonferenz zu diesem Thema aufgeschlossen gegenüber.“

Das Recht auf die Versorgung mit sauberem Trinkwasser ist in der Tat schon mit Artikel 3 der universellen Erklärung der Menschenrechte vom 10.12.1948 abgedeckt: „Jeder hat das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit der Person.“ Die darüber hinausgehenden Bedürfnisse hinsichtlich sanitärer Grundversorgung dürften allerdings genauso relativ sein wie die Ausführungsvorschriften, die die UN bzw. WHO hinsichtlich der Erreichbarkeit (1 km) oder der Mindestmenge (20 Liter) festgeschrieben hat. Der Pro-Kopf-Verbrauch in Deutschland liegt bei 130 Liter. Die Industriestaaten benötigen Wasser zur Produktion von Luxusgütern, auf die wohl kaum jemand verzichten möchte: Eine Tasse Kaffee = 140 Liter Wasser, 1 T-Shirt etwa 2000 Liter, ein Steak 15.000 Liter Wasser – um nur Beispiele zu nennen (BBC Nachrichten vom 19.4.2010). Führt das tatsächlich zu einer Wasserknappheit in der dritten Welt?

In der EU gilt Trinkwasser als etwas Besonderes. Am Anfang der Wasserrahmenrichtlinie aus dem Jahr 2000 steht: Wasser ist keine übliche Handelsware, sondern ein ererbtes Gut, das geschützt, verteidigt und entsprechend behandelt werden muss. Und so sind auch bereits Kriege um Wasser geführt worden. Auf einer Veranstaltung der Friedrich-Naumann-Stiftung zum Thema „Wasser als Konfliktstoff im Nahen Osten“ sagte Staatssekretär Hans-Jürgen Beerfeltz, Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung am 17. April 2010 im Rahmen des Liberal International Day 2010: „Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) verzeichnet in einer Studie seit 1948 nur 37 Konfliktfälle, in denen die Wasserfrage eine ausschlaggebende Rolle spielte. Hingegen wurden 295 internationale Übereinkommen im Bereich Wasser verhandelt und unterzeichnet. Aber: Von diesen zitierten 37 Konfliktfällen – was glauben Sie, wie viele im Nahen Osten stattfanden? 32.“

Wasser ist ein Potenzial für Konfliktstoff und Krieg (siehe etwa die Tagung Wasser – Waffe, Ware, Menschenrecht an der TU Berlin im Februar 2005: „Sauberes Wasser wird häufig als „Erdöl des 21. Jahrhunderts“ bezeichnet“), besonders wenn es knapp ist. Deshalb bedarf es in Einzelfällen auch internationaler Abkommen und Wachsamkeit, wenn beispielsweise das Wasserreservoir eines Staates gefährdet ist, wie dies etwa auf dem tibetischen Hochland der Fall ist.

Allerdings sind die Bedürfnisse unterschiedlich und Probleme entstehen besonders an Orten, an denen ungleiche Lebensbedingungen eng nebeneinander liegen. Israel und die palästinensischen Gebiete sind ein extremes Beispiel dafür, wie Normierungen und Vergleiche zu Konflikten führen können, die sich ohne guten Willen nicht lösen lassen. Wobei guter Wille sicher nicht bedeutet, Statistiken anzuführen und Neiddebatten anzustacheln. So warf die Menschenrechtsorganisation “Amnesty International” Israel im Oktober 2009 vor, den Palästinensern weniger Wasser zu liefern als vereinbart. Die pro-islamische Internetseite Muslimmarkt erklärt „Die Zionisten verschwenden gestohlenes Wasser“ und die AG Friedensforschung der Universität Kassel redet von Mythen und fordert eine gerechte Verteilung des Wassers sowie eine Änderung des israelischen Verhaltens im Umgang mit Wasser. Nur was ist gerecht? Hilft es, wenn Israelis weniger duschen? Die Nachrichtenagentur Israel Heute meldet am 10. Mai, dass die Wasserpreise drastisch steigen sollen: um 40%. Der deutsche Nachrichtensender N-TV berichtet in einem Dosier am 31. März über den konstanten Wassermangel unter der Überschrift „Grüne Wüste: Israel hat ein Wasserproblem“ und ist sich dabei nicht zu schade, zur Illustration des Problems das Bild eines palästinensischen Jungens zu zeigen, der Wasser aus einem Hahn trinkt – ein Foto der picture-alliance/dpa. Das sieht zwar nach Durst, nicht aber nach Verdursten aus – sauberes Wasser kommt aus der Leitung, auch wenn es ein knappes Gut ist. Die Herstellung von sauberem Trinkwasser ist in der Region tatsächlich ein Problem, an dem seit Jahren erfolgreich geforscht und gearbeitet wird – in Israel, nicht in Gaza.

Was folgt daraus? Die universellen Menschenrechte sind in erster Linie ein Druckmittel und Politikum. Die Verlagerung auf eine juristische Metaebene ist dabei wenig nützlich und kann im Zweifelsfall nur zu weiteren Konflikten führen wenn es um die Auslegung der Absichten geht. Angesagt ist derzeit Handeln, wie das bereits vielerorts geschieht. Zum Beispiel in Israel. Israel ist einer der kleinsten Staaten der Welt, seine Leistungen sind jedoch unglaublich. Es ist das einzige Land weltweit, das im 21. Jahrhundert in Wüstengebieten mit Zuwachs an Bäumen der Desertifikation trotzen konnte. Trotz Wasserknappheit verdurstet niemand, es gibt ausreichend sauberes Trinkwasser auch in den palästinensischen Gebieten und Wasser für die Landwirtschaft. Das ist technischer Fortschritt, der Vorbildcharakter hat. Und zu einem wichtigen Exportgut werden kann (so er das darf): Israels nationale Wassergesellschaft Mekorot hat kürzlich einen Vertrag mit der größten brasilianischen Gesellschaft SABE SP unterzeichnet, denn obwohl Brasilien über schätzungsweise 12 Prozent der weltweiten Trinkwasserressourcen verfügt, hat es Probleme, diese zielgerichtet zu verteilen. Im Juni findet zum 14. Mal die internationale Fachmesse CleanTech 2010 in Tel Aviv statt, die sich mit sauberen Technologien befasst – darunter erneuerbare Energien und Wassertechnologie. Nur: gute Nachrichten haben in der Regel keinen Nachrichtenwert.

In einem Artikel der Frankfurter Rundschau vom 18. März 2009 wundert sich der Autor Stephan Börnecke unter der Überschrift „Für ein Menschenrecht auf Wasser“ über das Konfliktpotential, das Wasser in ressourcenarmen Ländern gewinnen kann: „Wasser Marsch: Ausgerechnet mit Wasserwerfern spülte die türkische Polizei die Demonstranten von der Straße, als die beim 5.Weltwasserforum in Istanbul gegen den Ausverkauf der Quellen an Geschäftemacher protestierten und stattdessen ein Menschenrecht auf Wasser einklagten. "Wasser darf nicht verkauft werden", lautet ihr Slogan. Der feuchte Umgang mit den Protesten verwundert, denn dieses Forum, an dem 20 000 Experten teilnehmen, will "Brücken schlagen für das Wasser".

Menschen mit etwas Realitätssinn dürften darüber allerdings nicht verwundert sein. Überleben ist nicht umsonst. Das Recht auf Leben bedeutet, die Rahmenbedingungen zu schaffen, die dem Einzelnen das Überleben ermöglichen. In eine Gesellschaft des Überflusses geboren zu sein bedeutet, unter Umständen das Bewusstsein dafür verloren zu haben, dass Brot und Wasser nicht vom Himmel fallen beziehungsweise jederzeit (käuflich) zu erwerben sind. Gewiss sind Regulierungen unumgänglich, um unbillige Profite oder Schwarzmarktgeschäfte zu verhindern. Die Frage ist eben nur, wie diese Regelungen aussehenen sollen und in wessen Verantwortung sie liegen. Fortschritt ist nicht umsonst. Forschung ist eine Investition in die Zukunft, die bezahlt werden muss - auch wenn sie ökonomisch durchaus sinnvoll sein kann: Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation stehen einem Euro, der in die Wasser- und Sanitär-Versorgung investiert wird, Einsparungen bei der Behandlung von Krankheiten in Höhe von rund neun Euro entgegen. Die Frage ist nur: Könnte jemand die neun Euro tatsächlich bezahlen? Die Welt besser und sicherer machen bedeutet sich an der richtigen Stelle zu engagieren. Forschung für Wasser ist daher ökonomisch sinnvoll – zumindest in der Theorie.

Auch Deutschland unterstützt diese Forschungen und engagiert sich weltweit für die bessere Versorgung der Menschheit mit Trinkwasser. Deshalb sollten wir das Thema eigentlich auch in Deutschland mit Priorität behandeln. In der Praxis sieht das anders aus. Denn noch sind nicht alle Menschen gleich, sondern es gibt eine Ausnahme: die Wanderarbeiter: Die Internationale Konvention zum Schutz der Rechte aller Wanderarbeiter und ihrer Familien (ICRMW) ist die einzige, die nach Angeben eines UN-Berichts keine speziellen Regelungen über den Zugang zu sauberem Trinkwasser und sanitären Einrichtungen enthält.

In Berlin wird seit Jahren um die Schaffung sanitärer Einrichtungen für die Sinti und Roma, denen offizielle Stellplätze in Dreilinden vermietet werden, gerungen. Am 5. Mai 2000 schrieb die Welt unter der Überschrift „Provisorium soll winterfest werden. Bewegung in Diskussion um Campingplatz für Sinti und Roma in Dreilinden“, dass auf dem offiziellen Stellplatz „vor allem für eine richtige Be- und Entwässerung, frostsichere Stromversorgung, sowie winterfeste Sanitäranlagen“ gesorgt werden solle. Die Investition sollte drei Millionen DM betragen, die wöchentlichen Kosten für die Platzmiete wurden mit 30 Mark angegeben. Am 25. Januar 2001 schrieb die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz: „Die Realisierung der Baumaßnahme soll 2002/2003 erfolgen“. Am 10. Februar 2010 ist es wieder so weit. Die BZ schreibt: „Der neue Wohnpark, der ganzjährig genutzt werden kann, soll Anfang 2011 eröffnet werden. 44 Stellplätze soll es mindestens geben. Für einen Stellplatz müssen die Sinti- und Roma-Familien pro Woche 98 Euro bezahlen, unabhängig davon, wie viele Personen in einem Wohnwagen leben“. Dem Bezirk war das Verfahren zur Bebauung zwischenzeitlich entzogen worden. Immerhin, es ist Halbzeit und wir leben in einem Land, das sich bezüglich der Einhaltung der Menschenrechte anmaßt, einen Vorbildcharakter zu haben. Im letzten Jahr löste der Berliner Senat dieses Problem übrigens sehr eigenwillig, indem er einfach Rückkehrprämien auszahlte. Geld, so vorhanden, löst alle Probleme. Oder?



Dr. Nikoline Hansen
„Die Mahnung“, 57/6, Berlin 1. Juni 2010
















Ausgewählte Quellenangaben vom 15.5.2010:

http://www.un.org/waterforlifedecade/
http://www.unesco.org/water/water_celebrations/decades/index.shtml
http://waterconference2010.tj/
http://www.worldwaterweek.org/
http://www.unwater.org/downloads/unwater_annual_report_2007.pdf
http://www2.ohchr.org/english/issues/water/iexpert/docs/A-CHR-6-3_August07.pdf
http://www.zdf.de/ZDFmediathek/beitrag/video/1034368/Bombay-Wasser-ist-der-erste-Gedanke
http://www2.ohchr.org/english/issues/water/docs/HRC_decision2-104.pdf
http://www.auswaertiges-amt.de/diplo/en/Aussenpolitik/Themen/Menschenrechte/MRVN-Wasser.html
http://www.brot-fuer-die-welt.de/presse/index_6992_DEU_HTML.php
http://www.wassertruck.de/pdf/01Texte01_grundlagen-zahlen-fakten.pdf
http://www.canada.com/topics/news/world/story.html?id=b65b35fd-477f-4956-98f4-c17a46fe3e26
http://www.watertreaty.org/faqs.php?lang=de
http://www.zewk.tu-berlin.de/v-menue/kooperation_wissenschaftgesellschaft/koop/publikationen/wasser_waffe_ware_menschenrecht/
http://www.dgli.de/Menschenrecht-Wasser-Wasser-als-Konfliktstoff-im-Nahen-Osten-V-Liberal-International-Day/29570c1i1p858/index.html
http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/011/1701120.pdf
http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/009/1700966.pdf
http://www.bpb.de/themen/ZGHYPZ,0,0,Zur_Begründung_eines_Menschenrechts_auf_Wasser.
http://www.globalcompact.de/fileadmin/PDFs/DGCN_SP_09_Wasser_Hintergrundpapier.pdf
http://www.bmz.de/de/presse/reden/Sts_Beerfeltz/2010/April/20100417_rede.html
http://www.unwater.org/downloads/JMP_report_2010.pdf
http://www.bmz.de/en/issues/Environment/wasser/index.html
http://www.unesco.org/water/wwap/wwdr/wwdr3/pdf/14_WWDR3_ch_4.pdf
http://www.wash-united.org/
http://www.worldtoilet.org/
http://www.anti-defamation.ch/index.php?id=15§ion=2
http://www.hagalil.com/archiv/2009/10/27/wasserknappheit/
http://www.muslim-markt.de/Palaestina-Spezial/recht/wasserverschwender.htm
http://www.uni-kassel.de/fb5/frieden/regionen/Nahost/wasser2.html
http://www.israelheute.com/default.aspx?tabid=179&nid=21062
http://www.n-tv.de/panorama/dossier/Israel-hat-ein-Wasserproblem-article802915.html
http://www2.ohchr.org/english/law/cmw.htm
http://www.institut-fuer-menschenrechte.de/de/menschenrechtsinstrumente/vereinte-nationen/menschenrechtsabkommen/wanderarbeiterkonvention-icrmw.html
http://www.bz-berlin.de/archiv/wohnwagen-siedlung-kostet-2-5-millionen-euro-article729217.html
http://www.berlin.de/imperia/md/content/lb-integration-migration/publikationen/top/bi_april_2010_bf.pdf?start&ts=1273842481&file=bi_april_2010_bf.pdf